Der kanadische Immobilienmarkt in Zeiten von Corona, dem russischen Angriffskrieg, steigenden Zinsen und Inflation
Thomas Gütle ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Primera Advisors und unterstützt die RECan Global GmbH umfassend bei ihren Vertriebsaktivitäten.
Herr Gütle, gefühlt schlittern wir von einer Krise in den nächste. Zunächst Corona, dann der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Jetzt kommen Energiekrise, Zinserhöhung und Inflation dazu. Was bedeutet das für Investoren?
Der Chefvolkswirt der Bayern LB hat unlängst vom Beginn einer neuen Ära gesprochen – und zwar von einer „Vuca-Welt“. Vuca steht für Volatlity, Uncertainity, Complexity und Ambiguity. Im Moment spielt ja alles zusammen. Wir haben Krieg, Zinserhöhung, Unsicherheiten im Markt. Das ist das Umfeld, in dem sich momentan ein Investor bewegt – also ein sehr, sehr schwer einzuschätzendes Umfeld. Das kann man nicht in irgendein Modell packen und schauen, was dann dabei herauskommt. Viele Entwicklungen sind neu, bei denen es keine Erfahrungswerte gibt.
Wie reagieren Investoren darauf, insbesondere die in Deutschland?
Wir sehen, dass eine ganze Reihe an Investoren im Moment keine Neuinvestments mehr machen, wir sehen eine große Zurückhaltung – zumindest bis zum Ende des Jahres. Hinzu kommt, dass der eine oder andere Investor ein Problem mit seiner hohen Immobilienquote hat, da die anderen Assetklassen Wertverluste verzeichnen, was den Handlungsspielraum zusätzlich einschränkt. Es ist ein Abwarten auf ein Re-Pricing vor dem Hintergrund der Zinsentwicklung. Zusammengefasst: wenig Aktivität in diesen Monaten. Das wird mit Sicherheit zumindest noch bis Ende des Jahres so anhalten.
Sie sprachen gerade die Zinsentwicklung an. Hier, so scheint es uns, ist Nordamerika wieder einen Schritt voraus. Was bedeutet das?
Blickt man auf die weltweiten Zahlen zu den Transaktionsvolumina für das erste halbe Jahr, also den Vergleich des ersten Halbjahres 2002 zum ersten Halbjahr 2021, dann verzeichnen wir ein Plus von 19 Prozent. Die Dynamik, die man hier sieht, stammt insbesondere aus dem amerikanischen Markt, dem US-Markt. Die Erwartung ist aber, dass sich diese Entwicklung im zweiten Halbjahr so nicht fortsetzt. Und das hat mit den Zinsentwicklungen zu tun. In Nordamerika sind die Zinsen stark gestiegen. Interessanterweise ist in Kanada der Leitzins derzeit mit 3,25 am höchsten, in den USA sind wir mittlerweile auch schon über drei Prozent). Die Euro-Zone liegt bei 1,25. Man sieht ganz deutlich: Die Nordamerikaner sind wieder einmal, wie so oft, diejenigen, die vorangehen, die am stärksten gegen diese inflationären Entwicklungen Maßnahmen ergriffen haben. Das wird sich weiter entwickeln und das Repricing hat bereits begonnen, beispielsweise in den USA haben wir in letzter Zeit im resilienten Sektor Multifamily Kaufpreisrückgänge von 10 bis 20 Prozent gesehen. Interessant ist, dass Kanada in diesem Zusammenhang das Zins-Ranking anführt. Das bedeutet im Grunde, dass man die Rezession vor dem Hintergrund der starken Zinserhöhung de facto ins Basis-Szenario einbauen kann.
Warum eigentlich Kanada?
Ich hatte ja erwähnt, dass wir in dieser Vuca-Welt leben. Deshalb sind für die Anleger Kriterien wie Rechtssicherheit, Rechtstaatlichkeit sowie demokratische und politische Stabilität deutlich stärker in den Vordergrund gerückt – ein „flight zu quality“ findet hier statt. Wenn ich einmal kurz nach Asien schauen darf: Die Investoren, mit denen ich dort spreche, die sagen mir durch die Bank: Wir investieren nur in einen Fonds, der nicht in China und nicht in Hong Kong investiert. Diese Überlegungen waren bisher in diesem Umfang nicht vorhanden. Aus der Erfahrung heraus kann ich sagen, dass sich dies noch weiter verstärken wird.
Was bedeutet das für Investoren, die überlegen, in Kanada zu investieren?
Kanada erfüllt ja genau die angesprochenen Kriterien – auf der einen Seite der Immobilienmarkt, auf der anderen Seite betrifft dies die politische und rechtliche Stabilität. Kanada gilt ja nicht umsonst als „Safe Harbour“ und liegt im weltweiten FDI Confidence Index regelmäßig auf Platz zwei oder drei. Diese vorteilhafte Konstellation, die wir in Kanada sehr deutlich sehen, finden wir nicht oft in anderen Ländern. Das spricht insbesondere in den aktuellen Zeiten, jedoch auch langfristig für Kanada. Aber es gibt ja noch mehr Punkte, die sich ein Investor anschauen sollte, die in Kanada attraktiv sind. Im Immobilienbereich sind zwei Kriterien extrem wichtig: Bevölkerungs- und Jobwachstum. Und genau das finden wir in Kanada durch die intelligente Einwanderungspolitik, die im Konsens mit der Bevölkerung steht, vor.
Spielt der Faktor Klimawandel ebenfalls eine Rolle?
Sicher. Dieser ist eine Tatsache, die wir nicht mehr wegdiskutieren können. Es sieht so aus, als dass Kanada ein Profiteur des Klimawandels sein könnte. Es gibt dort Regionen, die durch den Klimawandel auftauen, in denen es auf absehbare Zeit möglich ist zu leben und wo auch Rohstoffe freigesetzt werden. Zudem befindet sich Kanada in einem Transformationsprozess in Richtung diversifizierter Wirtschaft– also weg von einer Rohstoffabhängigkeit. Dazu trägt natürlich auch die Immigrationspolitik bei, weil Kanada hier Menschen aktiv in großer Anzahl reinholt, die helfen, diese Wirtschaft noch stärker zu diversifizieren, weil diese in anderen Sektoren Experten sind.
RECan ist ein neuer Manager mit hocherfahrenem Team im Markt, der explizit kanadische Immobilien in seinem Portfolio hat. Sie sind für das Unternehmen beratend tätig. Insofern vermuten wir, dass da eine entsprechende Überzeugung dahintersteht. Eine Überzeugung, die ausdrückt: Das Ganze funktioniert?
Ja, natürlich. Ich möchte an diese Stelle fünf Punkte nennen, die definitiv für den Manager und das Produkt sprechen. Zum einen ist es der Immobilienmarkt in Kanada, der einerseits diese Sicherheit „safe harbour“ bietet, andererseits ein riesiges Entwicklungspotential hat – also Bevölkerungswachstum, intelligente Einwanderungspolitik. Dadurch steigt die Nachfrage im Immobilienmarkt in den unterschiedlichsten Sektoren. Der zweite Punkt sind die „boots on the ground“, da RECan in Kanada ein sehr erfahrenes Team hat, das seit 30 Jahren ausschließlich in diesem Markt tätig ist. Das Gleiche gilt aber auch für Deutschland und Luxemburg. Das ist eine Kombination, die natürlich sehr interessant ist.
Der dritte Punkt?
Drittens verfügen allen Beteiligten eine unternehmerische Komponente. Das heißt, man profitiert nur, wenn man erfolgreich ist – und sitzt somit auch bei negativen Entwicklungen mit dem Investor in einem Boot. Hierin sehe ich eine ganz wichtige Motivation für alle Beteiligten. Der Investor, Punkt vier, kann sich sein Portfolio aus Multi-Family und Gewerbe im Grund nach seinen Bedürfnissen selbst zusammenstellen. Last but not least, wir haben es hier mit einem immobilienquotenfähigen sowie ESG-Artikel 8 konformen Produkt mit deutschem Reporting zu tun, was für deutsche Investoren sehr einfach zu handeln ist. Hinzu kommt, wenn jemand in den USA investiert, dann kann Kanada in der Tat ein kleiner Hedge sein, sollte demnächst Trump (oder auch ein anderer Populist) vielleicht doch wieder an die Macht kommen. Das wäre, lassen Sie es mich so ausdrücken, in der Tat ein Beschäftigungsprogramm für Kanada. Das aber nur nebenbei.
Wenn man über Stärken spricht, sollte man der Fairness entsprechend auch über Schwächen reden.
Der kritische Punkt ist sicherlich der, dass potenzielle Investoren es mit einem neuen Managerzu tun haben. Zudem ist es ein First-time-Fund.
Aber?
Die handelnden Personen, die hier in Kanada, in Deutschland und in Luxemburg aktiv sind, die verfügen alle über eine notwendige und vor allem sehr gute Expertise in den jeweiligen Themen. Ich selbst habe in den vergangenen mehr als 20 Jahren eine ganze Reihe neuer Produkte und neuer Manager an den Markt gebracht. Das Wichtigste dabei ist, dass die Investoren zufrieden sind und das war im Grunde immer der Fall. Insofern denke ich , dass ich auf Basis meiner Erfahrungen diese Situation beurteilen kann Nach meiner Einschätzung wird das Team einen guten Job machen und macht es ja heute schon.
Abschließend: Ihr Rat an potenzielle Investoren.
Mein Rat zurzeit ist: Man soll sein Pulver trocken halten, um dann, wenn sich im kommenden Jahr Chancen ergeben, zügig zu schießen, um im Bild zu bleiben, weil die nordamerikanischen Märkte viel schneller reagieren. Kurz: Es kann sehr schnell wieder interessant werden. Und dann muss man als Investor in der Lage sein, sehr schnell zu reagieren. Die Investoren dort warten nicht so lange, wie man das beispielsweise aus Europa kennt, wo man doch eher zögerlich agiert. Entscheidend für solche Investments ist, einen Manager an der Seite zu haben, der über langjährige Expertise im Markt verfügt, idealerweise eine DNA in der Region hat. Auch gutes Research dürfte in einer solchen Marktsituation wichtig sein.
Das heißt: In diesem Jahr alles administrativ abschließen, und alles für nächstes Jahr vorzubereiten, um dann im richtigen Moment loszuschießen.
Richtig.
Herzlichen Dank für das Gespräch!