Seoul/Duisburg. Übernahmen haben nicht selten einen fahlen Beigeschmack. Als der südkoreanische Konzern Young An im Jahr 2003 ein amerikanisches Traditionsunternehmen kauft, sieht die Sache aber ganz anders aus: Neben zuverlässigen und robusten Produkten bilden heute selbständig agierende Einheiten, kurze Entscheidungswege, ein hohes Maß an Flexibilität und ein gelebtes Familiengefühl das Rückgrat von Clark.
Wenn man ihm so zuhört, merkt man schnell: Der junge Mann hat noch viel vor. Seung-Soo Baik, 45 Jahre alt, ist Chief Executive Officer (CEO) von Clark Material Handling International. Das Gespräch rangt sich um eine schlagkräftige Organisation und um erhebliche Wachstumspotentiale. Um die sukzessive Weiterentwicklung des Unternehmens im amerikanischen Markt und um eine spürbare Expansion in Europa. Ja, eigentlich um all das, was man in so einem Gespräch von einem CEO zu hören erwartet. Doch dazu etwas später. Zunächst dreht es sich um Historie.
Rückblick: 1917 erfindet der (im Jahr 1903 gegründete) amerikanische Automobilzulieferer und Achsenfabrikant Clark den weltweit ersten Gabelstapler für den innerbetrieblichen Materialtransport. Acht Fahrzeuge werden im Jahr darauf ausgeliefert. 1919 sind es bereits 75 produzierte und verkaufte Geräte.
Das Ganze bleibt keine Eintagsfliege – im Gegenteil. „Do this, do that!“ wird das Credo in den 1920er Jahren. Folgerichtig nennt Clark seinen ersten benzinbetriebenen Dreirad-Schlepper „Duat“. Dieser, so Seung-Soo Baik, diente als Grundlage für die Entwicklung des ersten benzinbetriebenen Gabelstaplers überhaupt.
Anfang der 1940er Jahre entwickelt Clark dann den ersten elektrisch angetriebenen Gabelstapler, der eine komplette Arbeitsschicht eingesetzt werden kann. Das wegen des Zweiten Weltkriegs der Produktionsstart auf 1945 verschoben wird, bleibt eine geschichtliche Randnotiz. Wichtiger in diesem Zusammenhang: Direkt nach Kriegsende erreicht der erste Clark Gabelstapler Europa und verändert hier, das was man 60 Jahre später Intralogistik nennen wird, nachhaltig.
Basis für ein erfolgreich agierendes Unternehmen
Währenddessen wird 1959 auf der koreanischen Halbinsel das Fundament für eine andere erfolgreiche Unternehmensgeschichte gelegt. Sung Hak Baik, der Vater von Seung-Soo Baik, beginnt mit dem Aufbau einer Hutproduktion. Das kleine Familienunternehmen fertigt zunächst 70 Kopfbedeckungen im Jahr. „Heute verkaufen wir jährlich mehr als 100 Millionen Hüte und sind weltweit die Nummer 1“, erzählt Seung-Soo Baik. Zudem habe man schnell erkannt, dass langfristig zwei Komponenten die Basis für ein erfolgreich agierendes Unternehmen bilden: Internationalität und Diversifikation.
„Dennoch war beileibe nicht abzusehen, dass unsere Familie eines Tages ins Flurförderzeug-Geschäft einsteigen würde“, sagt Seung-Soo Baik. Jedoch exakt einhundert Jahre nach der Gründung des Automobilzulieferers Clark, übernahm Young An den nunmehrigen amerikanischen Flurförderzeug-Hersteller Clark.
Seung-Soo Baik erinnert sich, das Clark – seinerzeit krisengeschüttelt – zum Verkauf stand. „Wir haben einfach mitgeboten, und dann mehr oder weniger zufällig den Zuschlag erhalten.“ Was anschließend folgte, hatte allerdings mit Zufällen nichts mehr zu tun, sondern mit unternehmerischen Entscheidungen. Erklärtes Ziel bei der Übernahme: „Wir wollen die zuverlässigsten und robustesten Gabelstapler bauen!“
Schnell war zudem klar, dass das Hauptpotential auf dem amerikanischen und dem europäischen Kontinent liegt. „Im Januar 2003 sind wir in den USA gestartet und ein Jahr später bereits in Deutschland“, erzählt der Manager.
Dass neben Amerika den Südkoreanern insbesondere die Weiterentwicklung des europäischen Marktes ganz besonders am Herzen liegt, bestätigt auch Rolf Eiten, Geschäftsführer Clark Europe GmbH: „Vor allem der große Markt der Lagertechnik bietet für uns noch ein erhebliches Wachstumspotential.“
„Gemeinsame Entwicklung von Produkten und Lösungen für Europa“
Laut Clark Europe bestehe bereits seit längerem eine intensive Zusammenarbeit der europäischen Entwicklungsabteilungen mit den entsprechenden Kollegen in Südkorea und den USA. „Im Mittelpunkt steht die gemeinsame Entwicklung von Produkten und Lösungen“, sagt Rolf Eiten, „die speziell auf die Anforderungen des europäischen Marktes zugeschnitten sind.“ Derzeit kommen die sich in Europa im Einsatz befindenden Fahrzeuge allesamt aus Asien – was aber nicht so bleiben soll. Seung-Soo Baik: „Wir werden in Deutschland ein Werk errichten!“ Noch unklar: der genaue Zeitpunkt.
Ein Blick in die USA zeigt, wie schnell so etwas gehen kann. Bereits drei Jahre nach Übernahme durch Young An eröffnete Clark im Jahr 2006 eine – zunächst kleine – Produktionsstätte in Kentucky. Die einige Jahre später im mexikanischen San Luis Portosi in Dienst gestellte Fabrik wurde 2015 zu Gunsten des Ausbaus des US-amerikanischen Werkes wieder geschlossen. Ziel sei es, in den kommenden Jahren alle Gegengewichtsstapler für den US-Markt (die zurzeit noch aus Asien kommen) in Kentucky herstellen zu lassen. Seung-Soo Baik: „Unsere Maxime ist es, in den Märkten für die Märkte zu produzieren.“
„Größe ist zweitrangig. Es zählt, was der Kunde benötigt.“
Doch zurück nach Europa. Angesprochen auf die Dominanz der großen Flurförderzeug-Hersteller speziell in den wichtigen Intralogistikmärkten hat Seung-Soo Baik eine verblüffend einfache und klare Antwort: „Die Größe ist zweitranging. Es zählt, was der Kunde benötigt.“ Als im Vergleich kleineres Unternehmen verfüge man über sehr kurze Entscheidungswege und damit verbunden eine große Flexibilität bei der Erfüllung von Kundenwünschen.
Das sieht auch Rolf Eiten so. Clark sei darüber hinaus – genaue wie der große Teil des Wettbewerbs – ein international operierendes Unternehmen mit eigenen Produktions- und Entwicklungsstätten. Der Manager fügt an: „Hinzu kommen weltweit agierende, selbständige Vertriebsorganisationen mit einer schlagkräftigen Organisation für Vertrieb, Kundendienst, Training sowie Forschung und Entwicklung.“ Eine flexible Händlerschaft direkt in Kundennähe sorge zudem für eine schnelle Verfügbarkeit von Staplern, Ersatzteilen und Serviceleistungen.
„We are familiy“ – enges Verhältnis aller Mitwirkenden
Dennoch unterscheide man sich in einem wesentlichen Punkt von vielen großen Playern, stellt Seung-Soo Baik im Gespräch mit Hebezeuge Fördermittel immer wieder in den Vordergrund: „We are familiy!“ Und meint damit das enge Verhältnis zwischen Clark, seinen Zulieferern, Kunden, Händlern und Mitarbeitern. Dies, gekoppelt mit den kurzen Entscheidungswegen und der hohen Flexibilität, mache den Markenkern des Unternehmens aus. „Wir sind in der Lage, wesentlich schneller und flexibler auf Marktgegebenheiten zu reagieren, als eine große, komplexe Organisation“, so der Manager. Zudem müsse man auf „fremde Investoren keine Rücksicht nehmen“.
Seiung-Soo Baik hat noch viel vor. Dieser Tatendrang ist in jeder Minute des Gesprächs zu spüren. Ein Tatendrang, der in den vergangenen vierzehn Jahren Clark international nicht nur zu dem gemacht hat, was es heute ist, sondern auch zu dem, was der weltweit älteste Staplerhersteller auch in Zukunft sein möchte: Ein international erfolgreich agierender Konzern mit dem Charme eines Familienunternehmen.